Pfingstmontag 2009

Predigttext: 1. Korinther 2,12
Diese Predigt wurde zum Berggottesdienst am Scheibenberg gehalten.Liebe Gemeinde!

„Was ist bloß in mich gefahren?“  – fragen wir uns vielleicht manchmal. Wenn ich z.B. einen Zeitschriftenverkäufer solange  auf mich einreden lasse, bis ich schließlich ein Abonnement unterschreibe, dass ich eigentlich gar nicht wollte und dessen Unterschrift ich eine Stunde später schon wieder bereue.
„Was ist bloß in dich gefahren?“ sagt meine Frau zu mir, wenn ich plötzlich aufs Gaspedal trete, weil ich es nicht ertragen kann, dass mich einer überholte.
Und ich ärgere mich dann über mich selbst und sage mir:

„Was ist bloß in dich gefahren?“ – wenn es dann plötzlich heller als der Tag wird. Und dieses Licht weder von der Sonne noch von einer Erscheinung stammt – sondern von einem Blitzer.
„Was ist bloß in dich gefahren?“ das ist wohl so eine Redensart. Aber es ist auch eine Erfahrung. Plötzlich macht man etwas, wofür es eigentlich zunächst keine vernünftige Erklärung gibt. Mit einem Mal geschieht da etwas mit mir, was ich vielleicht bislang für völlig abwegig und undiskutabel gehalten habe. Es ist, als ob da etwas über einen kommt, das man auf dem ersten Eindruck selbst nicht mehr in der Hand hat und steuern kann. Man ist wie mitgerissen.
Jedes Beispiel hinkt und jeder Vergleich kann positiv oder negativ Verwendung finden. Ich will diese Frage: „Was ist in mich gefahren?“ uns jetzt im Blick auf unser Leben, den Glauben und auf Gott vorlegen. Es fährt immer etwas in uns hinein – ob wir wollen oder nicht. Wir sind immer von etwas geprägt und bestimmt, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Mancher, der mit seiner Freiheit prahlt, ist vielleicht mehr fremdbestimmt, als ihm lieb ist.
Es ist geradezu die Frage des Pfingstfestes: „Was kommt da von Gott in mein Leben hinein? Will ich es? Wünsche ich es? Lasse ich es zu?
Ich möchte uns daher einen Satz aus dem 1. Korinther-Brief des Apostels Paulus vorlegen: Paulus schrieb an die Christen: „Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.“
Jetzt habe ich mit Euch eine Modenschau vor. Eine Menge unterschiedlicher Handschuhe habe ich gesammelt und mitgebracht. Und anhand dieser speziellen Kleidungstücke will ich zu Euch über Pfingsten reden und versuchen eine Sehnsucht zu wecken.
Die Mitte des Pfingstfestes ist ein Gebet – es ist die Bitte an Gott: „Komm, Heiliger Geist, und erfülle mich“ – füll mein Leben so, dass es den Menschen nützt und Gott verherrlicht. Ich komme darauf zurück. Zunächst einmal die Modenschau:
Wir Menschen sind wie ein Handschuh. Je nachdem, was von uns verlangt wird, oder was wir eben sein wollen, ist dieser Handschuh beschaffen.
1. Hier habe ich einen Lederhandschuh. Außen ist er wie eine schützende zweite Haut – innen ist er gefüttert. Ist es nicht so in unser aller Leben? Wir brauchen Wärme. Wärme entsteht durch Nähe. Keiner von unskommt ohne ein Mindestmaß an Geborgenheit durchs Leben.
Was ist, wenn menschliche Nähe einmal verloren geht? Kennen wir eine Geborgenheit, die noch weit darüber hinausgeht und die uns geradezu ermutig, zu anderen Menschen hin Nähe zu stiften?
2. Einen Arbeitshandschuh finde ich hier. Vielleicht ist dieser Handschuh dasjenige Kleidungsstück, mit dem wir am meisten in unserem Leben Erfahrungen sammeln. Die längste Zeit im Leben sind wir doch mit Arbeit beschäftigt.
Freilich: Arbeit ist nicht das Leben und Leben ist nicht Arbeit. Überschätzt man die Arbeit, dann werde ich schnell zu ihrem Sklaven. Verteufelt man die Arbeit, dann klopfen schnell die Langeweile und die Sinnlosigkeit an.
Das richtige Maß ist gefragt – und vor allem die Frage nach der Kraft für das Richtige. Arbeit ist ein gutes Lebensmittel, aber nicht die Lebensmitte. Arbeit gehört in unseren Lebenskreis, aber sie ist nicht der Mittelpunkt. So gesehen, können wir alle Arbeit dankbar tun, um sie eines Tages ebenso dankbar aus der Hand zu legen.
3. Hier habe ich etwas Besonderes: einen Partnerhandschuh. Dieses Paar kann man nur zu zweit verwenden. Dieser Handschuh schützt die beiden, die Hand in Hand gehen. Die beiden anderen Handschuhe schützen dem einen die linke und der anderen die rechte Hand. Ein Symbol für Partnerschaft. Keiner von uns kommt allein durchs Leben. Wir brauchen den Anderen – das DU.
Und es ist so: Je mehr wir uns dem Du öffnen, desto mehr entfalte ich mich selbst. Nur durch den Anderen lerne ich mich sehen und verstehen. Ohne jedwedes Du ertrinke ich wie Narziss im eigenen Spiegelbild.
4. Da ist ein Handschuh, der für etwas sehr Schönes steht: es ist ein Hochzeitshandschuh. Jeder der heiratet, erwartet, dass die Hochzeit ein Höhepunkt im Leben ist und auf das Leben ausstrahlt. Zwei Menschen, die sich lieben, schließen einen Bund und versprechen sich Liebe und Treue.
Brauchen wir nicht alle immer wieder Höhepunkte im Leben? Mit Höhepunkte meine ich aber nicht Ereignisse, die dahinrauschen. Höhepunkte sind Ereignisse im Leben, die eine Weichenstellung darstellen, wo etwas festgemacht wird, dessen man sich immer wieder erinnern kann und das maßgeblich ist und bleibt.
5. Dieser Handschuh drückt etwas Ähnliches aus und ist doch etwas anders nuanciert: ein eleganter Handschuh (Ballkleid?)
Fast instinktiv sehnt sich ein jeder Mensch  nach Zäsuren im Alltag. Es hält keiner auf die Dauer das tägliche Einerlei durch. Wir brauchen den Sonntag. Wir brauchen die Feste. Wir brauchen das Besondere. Jeder braucht Stellen im Leben, an denen er neue Kraft, neuen Mut und neue Orientierung sammelt, um weitergehen zu können.
6. Hier kommt ein krasser Gegensatz: Boxhandschuhe.
Er lässt uns an die Kämpfe im Leben denken. Manche sind wahre Kampfhähne – wo sie auftreten, fliegen die Fetzen. Andere drücken sich am liebsten vor jeder Auseinandersetzung.
Wisst ihr, dass den Christen ein besonderer Kampf aufgetragen ist? Die Bibel spricht vom guten Kampf des Glaubens. Unser Kampf geht nicht gegen Menschen – sondern gegen die Mächte, die hindern wollen, dass das Evangelium die Menschen erreicht.
7. Ein Einweghandschuh ist noch bei meiner Sammlung. Ärzte z.B. verwenden sie. Dieser Handschuh schützt den Arzt und den Patienten.
Gibt es nicht viele Situationen im Leben, in denen wir einen besonderen Schutz nötig haben? Was bewahrt mich vor  dem Unheilvollen? Wo müssen andere vor dem Negativen in mir geschützt werden? Und wo habe ich Schutz vor mir selbst nötig?
8. Ein letztes Beispiel: der Haushalthandschuh.  Mit diesem Handschuh wird im Haus geputzt, sauber gemacht, Ordnung geschaffen.
Haben wir das nicht in unserem Leben immer aufs Neue nötig? Wir können unsere Seele nicht  dauernd nur vollstopfen. Entlastung, Reinigung, Vergebung haben wir nötig. Wie gut, dass wir bei Gott neu anfangen dürfen. Er gibt uns dazu die Chance und macht uns das Angebot, dass wir durch Jesus das Leben ordnen dürfen.
Ein Mensch ist wie ein Handschuh. Vieles und Unterschiedliches kommt durch diese Handschuhe zum Ausdruck. Aber das Eigentliche und Wichtigste habe ich noch nicht gesagt. Ein Handschuh an sich ist nichts weiter als eine leere Hülle.
Es muss erst eine Hand in den Handschuh hineinfahren, um dem Handschuh Sinn und Funktion zu geben.
So wie ein Handschuh – so kann auch der Mensch eigentlich nichts allein tun und bewegen, anfangen und bewirken: weder etwas Gutes noch etwas Böses  / nichts Schönes und nichts Schlechtes / nichts Wunderbares und nichts Schreckliches, nichts Aufbauendes und nichts Zerstörendes.
In allem sind wir darauf angewiesen, dass etwas in uns hineinkommt, uns erfüllt, und uns bewegt.
Die innere Mitte des Pfingstfestes ist die Bitte um den Heiligen Geist – und die konkrete Erwartung seines Kommens. Als Paulus in die damalige kleinasiatische Metropole Ephesus kam, traf er Menschen, die bereits an Gott glaubten. Und er fragte sie: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr zum Glauben kamt?“
Das man mit Gott eine Vertrauensbeziehung beginnt ist das eine. Umim Glauben leben zu können, braucht man aber auch eine Kraft, die nicht von uns, sondern von Gott kommt. Es ist  bis heute so: Ohne den Heiligen Geist ist ein Leben im Glauben eine Schinderei. Gottes Geist muss uns erfüllen, sonst endet der Glaube entweder im Gesetz oder im Frust.
Was geschieht, wenn Gott auf unsere Bitte um den Heiligen Geist reagiert? Was ist zu erwarten? Wie erlebe ich das?
Ich hole dazu noch einmal meine Handschuhe  hervor.
1. Arbeitshandschuh: Wärme, Nähe  und Geborgenheit drückt dieser Handschuh aus. Wenn Gottes Geist in uns ist, dann haben wir Gewissheit, dass uns niemand die Nähe Gottes rauben kann. Gottes Geist sagt uns, das wir Gottes Kindern sind.
2. Arbeitshandschuh: Zur Arbeit – ja zum Leben braucht man Kraft. Unser menschliches Kraftpotential ist begrenzt und erschöpft sich. Wir brauchen eine besondere Kraft zum Leben und zum Dienst an den Menschen. Jesus hat sie verheißen: Ihr werdet die Kraft des HG empfangen.
3. Partnerhandschuh: Die besondere Kraft zur Partnerschaft und zur Gemeinschaft ist die Liebe. Von dieser Liebe schrieb Paulus an die Christen in Rom: Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den HG. Wir brauchen doch täglich diese Liebe Gottes in uns, um Liebe üben zu können.
4. Hochzeithandschuh: Er sprach zu uns von den Höhenpunkten und Weichenstellungen des Lebens. Die Liebe braucht die Treue. Auch hier brauchen wir Gottes Geist. Gottes Geist lässt in uns die Treue wachsen und reifen – darum wird in der Bibel die Treue als eine Frucht des Geistes genannt.
5. eleganter Handschuh: Er erinnerte an das Besondere im Leben. Hier denke ich an die Freude, die uns Jesus schenkt. Das Besondere am Reich Gottes ist die Gerechtigkeit, der Friede und die Freude im HG. Wenn Gottes Geist in uns ist, erleben wir eine unabhängige Freude. Sie muss nicht dauernd animiert und auf Trapp gehalten werden. Diese Freude kommt von innen – eben weil Gottes Geist in uns ist.
6. Boxhandschuh: Hier ging es um unseren Kampf – um den Glaubenskampf. Dabei denke ich an die Weisheit und die Vollmacht, die wir nötig haben und die uns der Geist Gottes schenken will. Er ist der Geist der Weisheit und der Stärke, denn der Geist Gottes ist der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN.
7. Einweghandschuh: Hier ging es um Schutz. Was schützt uns Menschen? Uns schützt Gottes Wort. Wer Gottes Wort bewahrt, den bewahrt das Wort Gottes. Der Heilige Geist hat eine besondere Beziehung zum Wort Gottes. Er macht dieses Wort lebendig. Die Apostelgeschichte bezeugt uns, dass da, wo Gottes Geist auf Menschen fiel, sie Gottes Wort in Freimut verkündigten.
8. Haushalthandschuh: Mit dem Haushalthandschuh macht man Ordnung im Haus. Er erinnert uns daran, dass der Heilige Geist in uns Dinge ordnet und in der Nachfolge Jesu führen will.
Spüren wir, wie sehr wir den Heiligen Geist brauchen? Sowohl für den Alltag, als auch für unser Leben im Glauben?
Was ist in mich gefahren? So hatte ich am Anfang gefragt. Damit nicht alles Mögliche oder Unmögliche in uns hineinfährt, muss der Raum unseres Herzens, unserer Gedanken, unserer Emotionen und unseres Willens von Gott selbst besetzt und erfüllt sein. Und darum können wir Gott bewusst bitten.
Komm Heiliger Geist – so lautete die Pfingstbitte.
Es ist die Bitte um den Heiligen Geist.
Ich möchte diese Predigt mit solch einer Bitte schließen. Wer es will, kann sie still für sich mitbeten. Dieses Gebet wurde den KV Augustin zugeschrieben:

Gebet zum Heiligen Geist – Hl. Augustin

Atme in mir, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges denke.

Treibe mich, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges tue.

Locke mich, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges liebe.

Stärke mich, du Heiliger Geist,
dass ich Heiliges hüte.

Hüte mich, du Heiliger Geist,
dass ich das Heilige nimmer verliere.

Amen

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