Predigt zur Jubelkonfirmation 2016
Da kam das Vorbereitungskomitee für die silberne Jubelkonfirmation zusammen. Die erste Frage der Tagesordnung lautete: In welcher Gaststätte wollen wir feiern? Die Wahl fiel auf die Glashütte, weil der Raum groß genug ist. Die Ehepartner oder das, was man heute als Anhang bezeichnet, sollen mit Platz finden. Also fragte man dort an, ob der große Saal noch zu buchen ist. Es gelang, die Sache festzumachen.
Einige Zeit vor der goldenen Konfirmation saß das Vorbereitungskomitee wieder zusammen. Wieder tauchte die Frage auf:
Wo wollen wir denn feiern? Die Entscheidung fiel auf die Glashütte. Warum? Die Begründung lautete: Das letzte Mal war das Essen hervorragend und preiswert. Wir waren zufrieden – also gehen wir in die Glashütte.
Zur diamantenen Konfirmation war das Vorbereitungskomitee schon etwas kleiner geworden. Wo gehen wir denn hin zur Feier – wurde gefragt. Einstimmiger Beschluss – natürlich in die Glashütte – dort ist die Bedienung besonders nett.
Zur eisernen Jubelkonfirmation gab es – im Verhältnis gesehen – doch noch eine ganz stattliche Gruppe. Die 65-jähigen wollen natürlich auch zusammen sein, schön essen, sich gut unterhalten und eben sich erinnern und feiern. Wo soll denn die Feier im kleinen Rahmen stattfinden? – fragte man sich schon ein Jahr zuvor. Natürlich – gehen wir in die Glashütte lautete die einstimmige Meinung. Dort kommen wir überall mit dem Rollator durch.
Und einige wenige hatte es bis zur 70 jährigen Konfirmation geschafft. Die Gnadenkonfirmation ist nicht jeden vergönnt. Na klar wir gehen nach dem Gottesdienst in die Glashütte, war die einhellige Meinung – Dort waren wir noch nicht.
Die 75-jährige Konfirmation nennt man die75 Jahre Konfirmation: Kronjuwelenkonfirmation. Wo ihre Feier stattfindet, das habe ich vergessen.
Liebe Gemeinde, wie jedes Jahr zur Jubelkonfirmation habe ich mir überlegt, welchen Gegenstand ich für die Predigt als Anschauungsobjekt verwenden könnte. Dabei ist mir der Rollator eingefallen. Er tauchte ja schon in dem eben erzählten Witz auf. Wer auf einen Rollator angewiesen ist, für den ist dies ein sehr wichtiges, angenehmes und hilfreiches Hilfsmittel.
Und ich habe festgestellt, dass man durch den Rollator einige Aspekte und Aussagen des Wortes Gottes besonders gut verstehen kann. Hören wir zunächst den PT aus Kol 2
6 Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm 7 und seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und seid reichlich dankbar. 8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch Philosophie und leeren Trug, gegründet auf die Lehre von Menschenund auf die Mächte der Welt und nicht auf Christus.
So sehr lange gibt es die Rollatoren noch gar nicht. Ich kann mich gut erinnern, als ich vor 22 Jahren hier in CDF meinen Dienst antrat – standen, wenn Feierabendkreis war – vor dem KGH immer einige Kinderwagen. Zuerst dachte ich – in CDF gibt es aber junge Omis und Opis. Bis ich begriff, dass dies eine Art Gehhilfe war. Ein ausrangierter Kinderwagen war sozusagen der Vorläufer des Rollators.
Erfunden wurde der Rollator 1978 von der gehbehinderten Schwedin Aina Wifalk. Mithilfe einer Firma ließ sie einen Prototyp anfertigen. Seit 1990 gibt es Rollatoren auch im deutschsprachigen Raum.
Die wichtigste Funktion des Rollators ist es, gehbehinderten Menschen oder Senioren als dauerhafte Stütze beim Laufen zu dienen. Man kann sich auf diese Weise leichter fortbewegen.
Zusammengesetzt wird ein Gehwagen aus vier Stützen, die zumeist aus Stahl sind, sowie zwei oder vier Rädern. Manche Exemplare verfügen über zwei Vorderräder und zwei Stopper aus Gummi an der Hinterseite oder je zwei Vorder- und Hinterräder.
Die Anwendung eines Rollators ist einfach. So umfasst man bei der Fortbewegung die Haltegriffe des Gehwagens mit beiden Händen. Mit Hand- oder Armbewegungen schiebt der Benutzer die Gehhilfe vor sich her. Auf diese Weise werden die Füße weniger belastet und Gleichgewichtsverluste ausgeglichen.
Wichtig ist, dass sich die Bremsen leicht bedienen lassen und die Räder problemlos laufen.[1]
Die Marktwirtschaft ist nicht träge und hat noch einiges an Zubehör dazu erfunden. Als Zubehörteile können Drahtkörbe, Sitzflächen, Tabletts, Getränkehalter, Stockhalter, Regenschirme und Rückenlehnen vorkommen. Ich habe mir sagen lassen, dass Luxusausführungen sogar mit einem Navi geliefert werden.
Aber lassen wir einmal den ganzen Schnick-Schnack beiseite und konzentrieren wir uns auf das Wesentlichste. Bei einem Rollator kommt es doch in der Hauptsache darauf an, dass man
1. trotz einer Gleichgewichtsstörung Halt beim Stehen hat
2. sich trotz einer Gehbehinderung oder Schwäche bewegen kann
3. dass man trotz einer gesundheitlichen Einschränkung eine Art Sicherheit beim Stehen oder Gehen verspürt
4. sich bei einer längeren Strecke einmal hinsetzen und ausruhen kann und
5. gegebenenfalls etwas einkaufen, um es mit nach Hause zu nehmen.
Von hier aus möchte ich uns gedankliche Brücken zu unserem Leben und zum Glauben bauen.
1. Zum ersten: Wir brauchen einen Halt im Leben. Zugegeben, wenn man jung und gesund ist, fällt es einem gar nicht so auf, dass man einen festen Halt im Leben braucht. Zu meiner silbernen Konfirmation habe ich bedauerlicher Weise feststellen müssen, das einige Klassenkameraden im Leben nicht die Spur gefunden hatten. Sie waren haltlos geworden.
Wir alle brauchen Halt und Orientierung im Leben – auf allen Ebenen sozial, emotional, finanziell, existenziell. Doch was ist mit dem Halt im Inneren?
Halt, gehalten werden, Halt geben, Halt schenken, Halt annehmen können – das sind wohl die banalsten Bedürfnisse von uns allen.[2]
Fragt man andere, worin sie Halt finden, wird am allermeisten die Familie genannt. Aber wird in 10 Jahren noch die Familie einen stabilen Halt geben? Die Familie ist eine Institution geworden, die immer brüchiger wird.
Freunde werden immer als Nächstes genannt. Wann ist man Freund und wo fängt Freundschaft an und wo hört sie auf? Wieviel Verantwortung, wieviel Halt steckt in Freundschaft und wann halten wir Andere oder meinen gehalten zu werden?
Professionelle Hilfen werden als nächstes genannt, Berater, Psychologen oder Pfarrer – die sollen nun Halt geben oder an jene wird die Verantwortung übergeben bzw. die Erwartung gestellt.
Ein Bild hilft mir, den richtigen Halte-Punkt im Leben zu orten – die Schaukel. Da gibt es im Leben so vieles an Auf und Ab, Hin und Her – wie bei einer Schaukel. Aber gerade da ist doch ein Gehalten und Getragen werden von Nöten. Wir brauchen nach oben hin eine Verankerung, einen Halt – so wie bei einer Schaukel.
Der Apostel Paulus verweist in seinem Brief an die Gemeinde in Kolossä auf Jesus und schreibt: „Seid in ihm verwurzelt und gegründet und fest im Glauben.“
Liebe Jubelkonfirmanden, liebe Gemeinde, so ist es: Jesus gibt uns einen festen Halt im Leben. Durch Jesus kann das, was im Leben ins Rutschen gekommen ist, wieder fest und stabil werden.
2. Zum zweiten: Ein Rollator hilft, das man sich trotz einer Gehbehinderung oder Schwäche bewegen kann. Wie schnell kann es einem gesunden Menschen passieren, dass er sich weniger bewegen kann.
Und dann beginnt ein negativer Kreislauf. Werde ich bequem und bewege mich weniger, dann kann ich mich noch schlechter bewegen. Nein, man braucht 1. Eine Entscheidung: ich will mich bewegen. Und 2. Ich brauche Hilfe. Man glaubt gar nicht, was man alles kann, wenn der Wille Reserven mobilisiert. Und man darf glauben, dass Gott uns Kräfte und Hilfen schenkt, wenn wir IHN darum bitten.
Paulus schreibt: Wie ihr nun den Herrn Christus Jesus angenommen habt, so lebt auch in ihm. Darf ich Euch, liebe Konfirmanden daran erinnern? In Eurer Konfirmation habt ihr „ja“ zu Jesus gesagt. Ihr habt ihn als Euren Herrn angenommen. Wir alle taten das in unserer Taufe und Konfirmation.
Und nun ist die folgerichtige Herausforderung: So lebt auch in ihm. Das ist doch eine wunderbare Tatsache. Ich bin nie mehr allein. Ich bin in IHM, wie in einem schützenden Raum.
Keiner muss in einer kalten, brutalen Welt leben und darin erfrieren. Jesus umgibt uns in seiner Wärme, seiner Liebe und Kraft. IN IHM darf ich leben.
3. Er gibt mir Sicherheit. So wie beim Rollator. Schon einfach die Tatsache, dass ich mich wo festhalten kann – einen oder zwei Schritte gehen darf und mich dabei immer festhalte, gibt Sicherheit. Die Sicherheit geht mit. Ich brauch nur nicht loslassen. Das Festhalten gibt Sicherheit.
So ist das im Glauben. Wer sich an Jesus festhält, erlebt eine wunderbare Geborgenheit.
Inge Hermann, Jahrgang 1940, wuchs in Namibia auf und studierte in Deutschland und England. Sie unterrichtete an Schulen und Hochschulen in Uganda, Nigeria und Deutschland und ist seit 1991 an der Evangelischen Fachhochschule für Sozialwesen in Reutlingen. Sie hielt einmal folgende Episode fest.
„Irene aus der sechsten Klasse. Vor wenigen Wochen kam sie mit schlimmen Würgemalen in die Schule. Auf meine Frage meinte sie fast entschuldigend: ‚Meiner Mama ihr Bauch wird immer dicker, und wenn die drei Kleinen so toben, dann verliert sie die Nerven. Die Kleinen schlagen, das bringt ja nichts. Ich bin doch die Älteste!‘
Rolf ist der dritte ,Papa‘ der Elfjährigen. Jetzt steht sie in der Wohnungstür, so schmal und klein, dass sie unter dem großen Schulranzen beinah verkrüppelt wirkt. Der Anorak, an den Ärmeln hochgekrempelt, reicht fast bis in die Knie. Die Wollmütze wird nur von der Brille gehindert, ihr ganz ins Gesicht zu rutschen. Die Augen hinter den dicken Gläsern wirken heutenoch größer, noch blauer.
,Nun, Irene, was ist denn passiert?‘ ,Er hat mich umgeben!‘ Es klingt ganz einfach, froh und still zugleich. Umgeben? Wer? `,Nun, ER. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.‘
‚Du meinst unseren Psalm?‘ ‚Der Gott hat mich umgeben! Das war so. Die Mama und der Papa haben sich geschlagen. Ich hatte Angst und bin in mein Bett unter die Decke. Die Mama hat so geschrien. Ich hab gedacht, er macht sie tot.
Dann waren sie irgendwann still. Aber ich konnte nicht einschlafen. Ich hab auch gefroren, dabei hatte ich meine Kleider noch an. Aber mir war kalt. Und angst.
Und dann auf einmal, dann hat ER mich umgeben.‘ ,Du hast Gott gespürt?‘ Sie nickt. ,Es war ganz arg hell, und ich brauchte keine Angst haben.
Und dann hat das Helle aufgehört. Aber immer noch warm. Und ich bin eingeschlafen. Gott hat mich umgeben.‘
‚Glaubst du das auch?‘ Sie ist ganz gewiss, aber schaut mich fragend an. ,Ja, Irene, das glaube ich auch.’Wir sind beide still.“
4. Die meisten Rollatoren haben zwei Bremsen, die kann man anziehen, sodass die Gehhilfe fest steht. Und dann kann man sich auf den Sitz des Rollators setzen und ausruhen. Eine wunderbare Erfindung – eine Sitzgelegenheit, die mitgeht.
Viele ältere Menschen haben Angst, dass sie den Rückweg nicht mehr schaffen. Sie können es nicht so richtig gut einschätzen, wann eine Gartenbank kommt, auf der man ausruhen kann. Aber wenn die Sitzgelegenheit mitgeht, ist für den Bedarf der Fälle gesorgt.
Liebe Schwestern und Brüder, unser Weg zum Ziel ist weit. Wir brauchen Momente des Ausruhens. Wir müssen immer wieder neue Kräfte sammeln.
Gott schenkt uns solche Tankstellen des Glaubens. Rauschen sie nicht daran vorbei. Ein Gottesdienst kann zu so einer Tankstelle des Glaubens werden, ein schlichtes Gebet, ein paar Worte der Bibel. Ein gutes ermutigendes Wort von Freunden kann uns wieder aufbauen. Verzichten Sie nicht darauf. Eilen sie nicht daran vorbei. Der Weg geht weiter.
5. Und was bringen wir mit, wenn wir ankommen? Welche Früchte, welchen Ertrag bringt uns Leben? Manchen Rollatoren haben einen kleinen Korb dabei, in den man praktischer Weise einige Dinge legen kann. So kann man in den Supermarkt gehen und etwas einkaufen. Man genießt dabei die frische Luft und hält sich in Bewegung.
Was bringen wir einmal mit, wenn wir in der Ewigkeit vor Gott stehen? Wir können nur das mitbringen, was wir in unserem Leben geübt und praktiziert haben. Darum ruft uns der Apostel Paulus zu: „und seid reichlich dankbar.“
Das ist doch wahrlich nicht zu viel verlangt, wenn wir nach jedem Erfolg, nach jeder erhörten Bitte, nach jeder Bewahrung, nach jeder Führung, am Ende eines jeden Tages ein kleines „Danke“ nach oben schicken. Wer anfängt, sich bei Gott zu bedanken, der wird bald viele, viele Gemeinheiten finden: IHM zu danken – und bei dem wächst die Dankbarkeit.
August von Kotzebue (1761 – 1819), deutscher Jurist und Dramatiker, von 1816-1819 russischer Staatsrat hat einmal gesagt: Dankbare Menschen sind wie fruchtbare Felder; sie geben das Empfangene zehnfach zurück.[3]
Ich komme zum Schluss. Es gibt noch einen wichtigen Ausblick. Am 11. Mai 2008 brachte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung einen Artikel über den Rollator heraus – mit der Überschrift: Die neue Freiheit hat vier Räder.
Darin wird beschrieben, wie durch diese einfache Erfindung vielen Menschen wieder eine neue Lebensqualität eröffnet wird.
So ist das mit dem Glauben an Jesus Christus. Wir sind berufen zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes[4]. Zu dieser Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen![5]
[1] http://www.paradisi.de/Health_und_Ernaehrung/Medikamente/Gehhilfen/Artikel/8135_Seite_3.php
[2] http://www.neon.de/artikel/fuehlen/psychologie/halt/1455364
[3] http://www.aphorismen.de/zitat/21504
[4] Rö 8,21
[5] Gal 5,1