2.Christtag 2009
2.Christtag
Predigt am 26. Dezember 2009
Text: Titus 3,4-7
4 Doch dann zeigte Gott, unser Retter, uns seine Freundlichkeit und Liebe. 5 Er rettete uns, nicht wegen unserer guten Taten, sondern aufgrund seiner Barmherzigkeit. Er wusch unsere Schuld ab und schenkte uns durch den Heiligen Geist ein neues Leben. 6 Durch das, was Jesus Christus, unser Retter, für uns getan hat, schenkte er uns den Heiligen Geist. 7 In seiner großen Güte sprach er uns los von unserer Schuld. Nun wissen wir, dass wir das ewige Leben erben werden.
Liebe Gemeinde!
In Gedanken sollten wir jetzt auf dem Hirtenfeld in Bethlehem beginnen. Helfen könnte uns dabei ein kleiner Auszug aus einer Geschichte von Manfred Hausstein. „Hirtengespräch“ hat er sie genannt. Hören wir hinein:„Nichts geht heute Abend mit rechten Dingen zu“, sagte der alte Hirte – mehr zu sich selbst – als zu dem Jungen neben ihm, als sich die Hirten auf den Weg nach Bethlehem machten. „Es ist so schwer zu verstehen, alles …“ Der mit dem Mantel drehte sich im Gehen um: „Du sollst sehen, es bleibt alles, wie es war. Wir haben keinen Trost und keine Hilfe zu erwarten. So war es, so ist es, und so wird es sein.“
„Warum gehst du dann mit uns?“, fragte die helle Stimme des Jungen. „Wenn du es so genau weißt, dass wir den Heiland nicht finden werden, dann könntest du ja bei den Schafen bleiben.“ „Er geht mit uns“, sagte der alte Hirte laut, „er geht mit uns, weil sein Hoffen stärker ist als sein Wissen.“
Soweit die kleinen Weihnachtsgedanken von Manfred Hausstein „Er geht mit uns, weil sein Hoffen stärker ist als sein Wissen.“!!! Das ist ein starker Satz! Mit welchem Hoffen und mit welchem Wissen haben Sie Heiligabend – bzw. den 1. Christtag gefeiert? Mit welchem Hoffen und mit welchem Wissen sind Sie heute hierher gekommen? Und mit welchem Hoffen und Wissen gehen Sie wieder in den Alltag, weg vom Kind in der Krippe, weg vom Kerzenglanz und der Freude über die Geschenke?
Das, was wir gewohnt sind und seit „eh und je eben so gemacht haben“ ist das eine. Und dennoch ist da in uns etwas, was uns erahnen lässt, dass das nicht alles ist – nicht alles sein kann! Und darum lässt uns unser Wissen unbefriedigt. Wenn wir unser Leben nur an das binden, was wir wissen – dann wird etwas stagnieren und womöglich werden wir resignieren und schlimmstenfalls wird etwas kollabieren. Der Hirte in der Haussteinschen Weihnachtsgeschichte ging mit auf Suche, weil sein Hoffen stärker war als sein Wissen. Dazu sind auch wir allesamt eingeladen. Drei hoffnungsvolle Gedanken zu Weihnachten
1. Weihnachten – eine Hoffnung beginnt zu keimen.
2. Weihnachten – die Hoffnung macht Beine.
3.Weihnachten – die Hoffnung prägt das Leben.
1. Weihnachten beginnt mit einer Nachricht. Da war etwas los – in jener Nacht auf Bethlehems Fluren. Jedes Krippenspiel versucht die Dramatik dieses Geschehens wiederzugeben. Als der Nachthimmel zur überdimensionalen Leinwand wurde und der himmlische Nachrichtensprecher den Hirten sagte: Euch ist heute der Retter geboren, dann ging es ihnen wie uns heute. Manche Nachrichten lassen uns kalt. Wenige berühren uns. Ganz wenige verändern unser Leben. Als ich vor 20 Jahren im TV die Bilder von Shigit sah (jenem Kinderheim, in dem Cheaucescu Kinder wie Tier dahinvegetieren lies) hat das mein Leben verändert. Von da an bin ich 17 Jahre nach Rumänien gefahren und habe dort versucht, Kindern zu helfen, das sie überleben können.
Übrigens das Wort, das die Engel für die Person gebrauchen, die den Hirten so wichtig und wertvoll werden soll, verwendet auch Paulus im Titus-Brief. Die Engel kündigten den Hirten den Heiland, den Retter an. Vom Heiland und Retter spricht Paulus dreimal in diesen wenigen Versen. Gott, unser Retter, zeigt uns seine Freundlichkeit und Menschenlieben. Er rettet uns auf Grund seiner Barmherzigkeit. Jesus, unser Retter, schenkt uns den Heiligen Geist, er spricht uns los von unserer Schuld und schenkt uns die Gewissheit des ewigen Lebens.
Zwei Schwaben waren bei einer Gletscherwanderung eingebrochen. Sie hingen in einer Gletscherspalte fest. Die Bergrettung kam zu Hilfe. Als die Retter vom Roten Kreuz oben an rettender Stelle zu sehen waren – sagte verwundert und selbstsicher der Mann zur Frau: „Mir gäbe nix!“
Verwechseln wir allesamt nicht auch oft unsere Situation und die Rollen? Wir meinen, Herr der Lage zu sein und brauchen im Grund „Rettung“!
Weihnachten beginnt mit einer Nachricht – mit einer guten Nachricht für uns. Weihnachten beginnt mit der Botschaft vom Retter.
Bertolt Brecht erzählt in einer Weihnachtsgeschichte (Das Paket des lieben Gottes) von Leuten, die sich am Heiligen Abend in einer Kneipe in Chicago über das Fest lustig machten und sich Anti-Geschenke bereiteten. Dem Wirt schenkten sie schmutziges Schneewasser, dem Kellner eine alte Konservendose und dem Küchenmädchen ein schartiges Taschenmesser. So wollten sie sich gegen die Gefühle von Weihnachten wehren. Einem Gast, der eine unerklärliche Angst vor der Polizei hat, rissen sie aus dem Adressbuch sämtliche Anschriften der Polizeiwachen heraus, verpackten sie sorgfältig in einer alten Zeitung und überreichten sie ihm.
„Und nun geschah etwas sehr Merkwürdiges. Der Mann nestelte eben an der Schnur, mit der das Geschenk verschnürt war, als sein Blick auf das Zeitungsblatt fiel, in das die Adressbuchblätter geschlagen waren. Aber da war sein Blick schon nicht mehr abwesend.
Sein ganzer dünner Körper krümmte sich sozusagen um das Zeitungsblatt zusammen, er bückte sein Gesicht tief darauf herunter und las. Niemals, weder vorher noch nachher, hat man einen Menschen so lesen sehen. Er verschlang das, was er las, einfach. Und dann schaute er auf. Und wieder hat man niemals, weder vorher noch nachher, einen Mann so strahlend schauen sehen wie diesen Mann. „Da lese ich eben in der Zeitung“, sagte er mit einer verrosteten, mühsam ruhigen Stimme, die in lächerlichem Gegensatz zu seinem strahlenden Gesicht stand, „dass die ganze Sache einfach schon lange aufgeklärt ist. Jedermann in Ohio weiß, dass ich mit der ganzen Sache nicht das Geringste zu tun hatte“. Alle wussten es – nur er wusste es nicht. Er war noch auf der Flucht und in der Angst.
Und dann lachte er. Und sie alle, die erstaunt dabeistanden und etwas ganz anderes erwartet hatten und nun begannen zu begreifen, dass der Mann unter irgendeiner Beschuldigung gestanden und inzwischen, wie er eben aus diesem Zeitungsblatt erfahren hatte, rehabilitiert worden war, fingen plötzlich an, aus vollem Halse und fast aus dem Herzen mitzulachen. Und dadurch kam ein großer Schwung in diese Veranstaltung. Die gewisse Bitterkeit war überhaupt vergessen, und es wurde ein ausgezeichnetes Weihnachten, das bis zum Morgen dauerte und
alle befriedigte“. Brecht lässt die Geschichte so schließen: „Und bei dieser allgemeinen Befriedigung spielte es natürlich gar keine Rolle mehr, dass dieses Zeitungsblatt nicht wir ausgesucht hatten, sondern Gott!“
Es gibt einen kleinen aber gravierenden Unterschied zur wahren Weihnachtsgeschichte. Der rehabilitierte Mann in der Brechtschen Geschichte war unschuldig und erfuhr von seiner Rehabilitation. Die wahre Weihnachtgeschichte richtet sich an Menschen, die wirklich in Sünde und Schuld stehen und darum auf den Tod zu leben. Ihnen / uns wird die Nachricht überbracht, dass wir in Jesus Rehabilitierte sind. Wir werden durch die Weihnachtsgeschichte zum Glauben an Jesus eingeladen. Vertrauen wir, wie Maria, wie die Engel, wie die Hirten, wie die Waisen aus dem Morgenland? Uns – aller Welt ist der Heiland, der Retter geboren. Weihnachten – eine Hoffnung beginnt zu keimen
2. Weihnachten – die Hoffnung macht Beine. „Er wusch unsere Schuld ab und schenkte uns durch den Heiligen Geist ein neues Leben“. Bei Luther klingt das so: „durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist.“
Schritt Nummer 1 ist das Bad der Wiedergeburt, die Taufe. Diesen Schritt sind die meisten von uns gegangen und sind im Laufe ihres Lebens auf Wunsch ihrer Eltern oder aus eigenem Antrieb getauft worden.
Schritt Nummer 2 ist die Erneuerung im Heiligen Geist, die Umkehr zu Gott. Diesen Schritt sind manche gegangen, andere stehen davor ihn zu gehen und wieder andere können gar nichts damit anfangen.
Vielleicht kann uns dazu ein kleines Beispiel helfen. Ihr werdet merken, dass meine Vergangenheit als Telefoner wieder durchschlägt. Die Beziehung zu Gott ist wie ein Telefongespräch. Am anderen Ende ist Gott, den ich nicht sehen – mit dem ich aber reden kann. Er spricht zu mir in seinem Wort. Ich spreche zu IHM im Gebet.
Jesus Christus ist bei diesem Telefongespräch so etwas wie der Sponsor. Er ermöglicht es erst. Er sagt: Du kannst mit Gott reden. Ich habe die Rechnung bezahlt. Du bist Teilnehmer. Für dein ganzes Menschenleben ist die Rechnung bezahlt.
Und der Heilige Geist ist so etwas, wie das, was man im PC-Zeitalter die Hardware und die Software nennt – also die ganzen technischen Voraussetzungen. Das Telefon, die Leitung, alles was sich zwischen mir und Gott befindet und eine lebendige, persönliche Beziehung ermöglicht.
Normalerweise ist diese Verbindung zu Gott unterbrochen. Das Telefon ist abgeschaltet. Die Bibel nennt diesen unseren Zustand Sünde. Sünde ist Trennung von Gott. Gott war das nie egal. Immer schon hat Gott Boten geschickt, um uns Menschen zu rufen. Die Bibel nennt die Klingeltöne im AT Propheten. Zuletzt schickte Gott seinen Sohn. Wer auf ihn hört und sein Leben auf Gott ausrichtet, der wird vom Geschöpf zum Kind Gottes. Durch Jesus hören wir wieder Gott in unserem Leben. Und Gottes Heiliger Geist ist die Person Gottes, die diese Verbindung zu Gott aufrecht erhält.
Nichts konnten wir tun, um diese Verbindung zu Gott herzustellen. Alles musste Gott durch Jesus und durch den HG tun. Nur eins dürfen wir nicht tun: Auflegen. Nur indem die Verbindung durch Jesus im HG zu Gott bleibt, geschieht in unserem Leben die „Erneuerung im HG“. Darum:
3. Weihnachten – die Hoffnung prägt das Leben. Hoffnung – wirkliche, lebendige Hoffnung ist kein wages Zukunftsgedusel. Wirkliche Hoffnung ist überprüfbar.
Die Hoffnung, von der Paulus mit Gewissheit spricht, bezieht sich zuerst einmal auf das ewige Leben. Der HG schenkt uns Gewissheit, das ich in Jesus ewiges Leben geschenkt bekommen habe.
Aber!, wer eine Hoffnung auf das ewige Leben hat, der hat auch Hoffnung hier in dieser Zeit. Hoffnungslos scheint es, wenn wir auf die große Zahl der Arbeitslosen schauen, oder darauf, dass viele Jugendliche die Beziehung zu einem verantwortlichen Leben verlieren. Hoffnungslos erscheint es, wenn wir in die Krisengebiete wie Afghanistan, Nordkorea, Iran und vor allem in den Nahen Osten schauen. Aussichtslos scheint die vertrackte Situation in den Hungergebieten unserer Erde zu sein. Und im Blick auf die Klimaerwärmung beschleicht uns Ratlosigkeit darüber, dass die Politiker so wenig die unterschiedlichen Interessen harmonisieren können. Und doch – immer wenn Christen von sich weg auf ihren Herr geschaut haben, konnten sie Erstaunliches verändern und bewegen.
Robert Spaemann, einer der profiliertesten Philosophen der Gegenwart, wurde in einem Interview gefragt: „Wie sind sie Gott auf die Spur gekommen?“ Und darauf hin erzählte er, wie er in seinem Elternhaus zum Glauben kam. Wörtlich: „Ich bin in diese Bekanntschaft, aus der eine Freundschaft mit Jesus wurde, hineingewachsen durch meine Eltern. …Dann hat sich daraus auch eine persönliche Beziehung entwickelt, eine Freundschaft mit Christus, von der ich hoffe, dass sie nie endet und stärker ist als der Tod.
Dabei werde ich an King Lear bei Shakespeare erinnert. Er hat sein Königtum verloren. Bevor er vertrieben wird, will Ritter Graf Kent in seinen Dienst treten. Der alte König sagt zu ihm: „Wer bin ich denn? Es lohnt sich doch nicht, in meinen Dienst zu treten.“ Und Graf Kent antwortet: „Es ist etwas in eurem Wesen, das ich gern meinen Herrn nenne.“
Wer in das Antlitz Jesu geschaut hat, dem Kind in der Krippe und dem allerverachtetsten Menschen am Kreuz – der wird nie mehr von der Hoffnung loskommen, das Er der Retter und die Hoffnung der Welt ist. Es ist etwas in seinem Wesen, das mich IHN gern meinen Herrn nennen lässt.
Briefmarkenliebhaber nennt man Philatelisten. Paulus nennt Gott ein Philantropen – einen Menschenliebhaber. Dass Gottes Güte in dieser Welt sichtbar wird – trotz allem, was dagegen spricht – das ist die Weihnachtsbotschaft. Deshalb möchte ich diese Botschaft ihnen jeden einzelnen ganz persönlich zusprechen.
Euch, die ihr als junge Menschen, den Platz in dieser Welt sucht.
Ihnen, die sie älter geworden sind und ihren Platz im Berufsleben nun anderen überlasst.
Euch, die ihr dieses Fest mit fröhlichem Trubel verbringt und euch, die ihr unter der Einsamkeit und Verlassenheit leidet.
Ihnen, die Sie einen Erfolg errungen haben und Ihnen, die sie eine Niederlage einstecken mussten. Zu euch will ich sie sagen, die Ihr Angst vor einer Krankheit habt und Euch, die ihr dabei seid, die Liebe zu einem Menschen zu gewinnen.
Euch allen möchte ich versichern, dass Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit gilt.
Bitte verschließt euch nicht dieser Botschaft. Nur versteht bitte, dass Gottes Güte nicht auf der Straße liegt wie Staub und sich nicht im Gieskannenprinzip über das Land ergießt. Gottes Güte konzentriert sich in der Person Jesu Christi. Wer sie finden will, muss sie bei ihm suchen. Nicht irgendwo. Und wer sie nicht bei ihm sucht, wird sie nicht finden. Nicht einmal im Glück des Überflusses. Man wird sie nur bei ihm finden.
Was hat Christus Ihnen gegeben? Wurde Robert Spaemann: Alles. Was heißt das? Fragte der Reporter zurück
Spaemann: „Wer verliebt ist, hat das Gefühl, dass der geliebte Mensch ihm durch seine Anwesenheit eine neue Welt erschließt. Ich bin durch Christus belehrt worden, dass Gott die Liebe ist. Er hat mir eine vollständig veränderte Sicht auf die Wirklichkeit gegeben, nämlich die Welt als ein Geschenk zu betrachten, auf das ich nur mit Dank reagieren kann. Es ist alles anders.“
In Gedanken begannen wir auf dem Hirtenfeld in Bethlehem. Nun sind wir bei uns angekommen. Wird auch diesmal alles beim Alten bleiben oder wird unser Hoffen stärker sein als unser Wissen?