Meditation zum Spielplatz

1. Relief: Und Gott sprach zu Noah

In der ersten Szene geht es nur um zwei Personen – um Noah und Gott.
Wie aus dem Nichts tauchen von links zwei Hände auf. Sie kommen aus einer anderen Ebene. Gott handelt indem er spricht. Er spricht und es geschieht. Gott handelt durch sein Wort.
Die eine Hand ist offen und zeigt nach oben. Es ist, als ob sie den Regenbogen freigibt.
Obgleich in der Noah-Geschichte der Regenbogen erst ganz am Ende auftaucht, ist er hier schon präsent. Das Handeln Gottes geschieht bedacht und planmäßig – durch Verheißung und Erfüllung. Von allem Anfang an hat Gott die Bewahrung seiner Schöpfung und die Rettung des Menschen im Blick. Und so endet die Flutgeschichte mit dem Treueversprechen Gottes, dessen Zeichen der Regenbogen wird.
Die andere Hand zeigt auf Noah. Und Noah erwidert dies wiederum mit einer Geste. Seine rechte Hand zeigt auf sich – auf sein Herz. Es ist wie ein Dialog in Zeichensprache: „Du bist gewollt!“ – „Ich bin gemeint“.
Verstärkend kommt hinzu, dass Noah seine Hand ans Ohr legt. Er ist ein Hörender. Wie ein Schalltrichter legt sich seine Linke hinter das Ohr, um ja nichts von den Worten Gottes zu verpassen. Seine Augen schauen nach oben auf das, was Gott ihm zeigt. Er ist ganz wach. Er besitzt erweckte Augen und Ohren. „Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, die macht beide der HERR.“ (Spr. 20,12). So werden wir Noah im ganzen Bilderzyklus antreffen – als einen, der auf das hört, was Gott ihm zeigt und das tut, was er ihm sagt.
Orthodoxe Christen wissen um die Bedeutung der Zeichensprache der Hände. Wenn man die Finger der beiden Hände, die miteinander kommunizieren, betrachtet, stellt man fest, dass sich beide in der gleichen Weise angeordnet haben: zwei Finger zeigen von der Hand weg, drei Finger weisen auf sie zurück. Die beiden Finger, die auf das Herz Noahs zeigen, wollen auf die menschliche und göttliche Natur Jesu Christi hinweisen. Und die drei Finger, die nach innen zeigen, deuten auf die Dreieinigkeit Gottes. Der dreieinige Gott spricht in Jesus Christus zu uns Menschen. In Jesus vernehmen wir das Reden Gottes. In Jesus spricht und handelt Gott auch an uns.
Die rechte Hand ist die Tat-Hand. Und so wird bei Noah aus dem persönlich Gehörten die Tat. Er ist gehorsam und baut die Arche. Aus Hören wird Gehorsam. Ein Glaube ohne Werke ist bedeutungslos und tot. Lebendiger Glaube aber wird tatkräftig.
Eine weitere Besonderheit ist an Noah zu entdecken. Er trägt ein weißes Gewand. Es ist das Kleid der Gerechtigkeit (Hiob. 29,14). Sein Wesen hat sich nach außen gekehrt. Er wird in der Bibel „der Prediger der Gerechtigkeit“ (2. Petr. 2,5) genannt. So stand vor dem Gericht die Predigt der Gerechtigkeit Gottes. Eine gerichtsreife Welt ging nicht ungewarnt in den Untergang. Gott hat geredet und gewartet. Vielfach hat sich die Klage Jesu über Jerusalem wiederholt. Es ist als ob Gott immer wieder in der Geschichte konstatieren musste: „Und ihr habt nicht gewollt!“
Wie in der Bibel, so auch auf unserem Bilderzyklus wird Noah nicht als Held dargestellt. Der Grund seines demütigen Wesens wird in 1. Mose 6,8 genannt: „Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN.“

 

2. Relief: Bau der Arche

Entschlossen sehen wir Noah auf dem 2. Relief ans Werk gehen. Weit schreitet er aus, fest hält er die Axt in seiner Hand, die eben noch auf sein Herz zeigte. Balancierend führt er den Balken mit seiner Hand, die sich eben noch um sein Ohr legte.
Es sind wenige, die ihn bei seinem Tun begleiten. Es gibt Wege, die muss man ganz allein gehen. Dabei darf das Ziel nicht aus den Augen gleiten. Wieder ist sein Ohr dem Betrachter zugewandt. Es verrät seine eigentliche Motivation. Er hört nicht auf die Mehrheit, die ihn belächelt und verspottet. Er lauscht und vertraut dem Wort Gottes.
Noah schaut dabei auf die Arche. Sie ist fast fertig. In Treue hat er das Werk, das Gott ihm auferlegt hat, schließlich vollendet. Die Treue im Dienst, in den uns Gott gestellt hat, wiegt schwerer als alles andere und ist im Himmel bedeutungsvoll. Eine große Verheißung liegt darauf. „Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!“ Matt. 25,21
So wird Noah mit dem Balken auf seiner Schulter zu einem lebendigen Hinweis auf Jesus, der sein Kreuz nach Golgatha trägt.

 

3. Relief: Einzug in die Arche

Auf diesem Bild wimmelt es nur so. Tiere über Tiere sieht man, die zur Arche schreiten. In einem endlos langen Zug bewegt sich die Kreatur den Berg hinan zum Schiff. Auch die Schöpfung seufzt und sehnt sich nach der Erlösung. So weist auch diese Szene über sich selbst hinaus und bringt uns das rettende Kommen unseres Herrn in Erinnerung.
Im Vordergrund hat sich eine Schlange quer gelegt. Auf den ersten Seiten der Bibel wird erzählt, wie der Versucher in Form einer Schlange an den Menschen herantritt. Der Teufel ist ein Mörder und Lügner von Anfang an (Joh. 8,44). Hier versperrt er den Weg zum rettenden Schiff.
Kann er das wirklich? Über wen hat er eigentlich Macht? War auch der Böse in der Arche? Wer ist der Stärkere? Wie ein Fragezeichen liegt die Schlange im Vordergrund. In den Stunden, in denen wir gefragt werden, geht es um alles.

 

4. Relief: Gott schließt die Arche

Hier erreicht die Geschichte des Ringes und Rufens ihren Tiefpunkt. Diese Szene ist auf dem Relief-Zyklus die mittlere Tafel. Bis dahin werden die Tafeln immer kleiner. Von da ab werden sie wieder größer. Oft liegen die Tiefpunkte noch vor unserer Wahrnehmung. Wir gewinnen schon wieder, obgleich wir uns noch am Verlieren wähnen.
Die Angeln der Tür ragen wie spitze Dornen ins Bild. Lange hat Gott zusammen mit Noah gewartet. Nun wird die Tür von außen geschlossen. Es gibt eine Zeit, in der man nichts mehr tun kann. Hier erinnern wir uns an das Jesus-Wort: „Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. (Joh. 9,4)
Hilflos ist man oft dem Kommenden ausgesetzt. Es zählt nur noch, wofür man sich bisher entschieden hat. Nicht die Menschen in der Arche riegeln zu, sondern von außen geschieht nun der Abschluss einer ganzen Geschichte. Die Geschichte der Menschheit nach der Sintflut geht anders weiter.
Man sieht auf dem Bild nur Köpfe und Füße. Nur die Menschen, die den Weg in die Arche gegangen sind, werden gerettet. Ab jetzt gibt es nur ein Drinnen und Draußen.
Interessant ist, wohin die einzelnen Personen blicken. Der eine schaut den Betrachter an, zwei schauen sich an. Einer schaut auf Noah. Nur Noah schaut auf Gott.
Für Noah mag dieser Augenblick der schwerste sein. Die eine Hand Gottes legt sich auf sein Herz. Vieles können wir Menschen nicht verstehen. Besonders in den Situationen des Unglücks, des Unrechts und des Unheils kommen wir an unsere Grenzen. Wir können nicht begreifen. Unser Herz muss gehalten werden. Vieles versteht man erst im Nachhinein. Noah kann weiterhin auf Gott schauen und ihm vertrauen, weil er auf ihn hört. Sein äußeres wie sein inneres Ohr ist auf den ausgerichtet, der seine Hand auf sein Herz legt.
Die spitzen Bänder der Türen erinnern mich an die Dornenkrone, die Jesus trug. Sie sagen mir, dass Gott am meisten im Gericht leidet.

 

5. Relief: Die Flut kommt

Dieses Bild ist das wohl das einsamste im ganzen Zyklus. Keine Menschen und keine Tiere sind mehr zu sehen. Alle haben sich irgendwohin zurückgezogen und meinen so in Sicherheit zu sein. Sind unsere vermeintlichen Sicherheiten in den letzten Dingen des Lebens nicht oft sehr trügerisch? Es gibt Situationen, für die man sich nicht versichern kann und in denen jeder gut gemeinter Schutz unzureichend ist. Die menschlichen Sicherheitsanlagen versagen.
Die einen auf unserem Relief haben sich versteckt, die anderen befinden sich in der Arche. Niemand sieht man mehr. Eine große Melancholie liegt über der Erde. Nicht die Heimat, nicht die Kultur, nicht die Natur, nicht das Volk zählen noch etwas. Alles ist im Untergehen. Sie geben keinen letzten Halt. Nur das rettende Schiff erweist sich als zukunftsweisend.

 

6. Relief: Die Taube bringt den Zweig

Auf dieser Tafel sehen wir, wie die Taube einen Olivenzweig zurück zur Arche bringt. Noah empfängt sie dankbar. Mehrere Versuche waren fehlgeschlagen. Nun endlich kam die Taube nicht leer zurück. Spannungen lösen sich.
Es ist wie eine Dreiecksbeziehung zwischen Mensch, Tier und Pflanze, die hier zusammen zu einer Aussage wird: Für alle ist wieder auf der Erde Leben möglich.
Noah wird hier wieder als ein Hörender dargestellt. Sein Ohr ist dem Betrachter zugewandt. Er hört hinter die Dinge und Ereignisse. Er hört, was Gott ihm und den anderen damit sagen will. Nun ist das Gericht zu Ende. Neue Wege stehen offen. Neue Aufgaben liegen bereit. Die Erde ist eine andere.
Fast zärtlich empfängt Noah die Taube. Liebevoll geht sein Blick hinauf. Die empfangende Hand formt sich zum Lobpreis, zum Dank, zur Ehre Gottes.
Durch Picasso wurde die Taube, die er 1949 für den Pariser Weltfriedenskongress malte, zu einem Symbol des Friedens. Auch die Bibel nimmt die Taube als Symbol in Anspruch. Sie erinnert dabei an den Heiligen Geist, den Jesus denen schenken will, die ihn darum bitten (Matt. 3,16 und Luk. 11,13). Hier bekommt für mich die empfangende Hand, die Noah ausstreckt und die so zum Landeplatz für die Taube wird, einen hinweisenden Charakter. Da, wo wir uns nach dem Geist Gottes sehen und ausstrecken, dürfen wir erwarten und glauben, dass er in unser Leben kommt und uns mit seinen Früchten und Gaben beschenkt.

7. Relief: Bogen und Altar

Der Regenbogen umspannt und beschließt den Bilderzyklus. Am Ende des Flutgerichtes steht das Treueversprechen Gottes: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht (1.Mo. 8,22). An dieses Versprechen Gottes erinnert der Regenbogen, der zuweilen am Himmel sichtbar wird. Hören wir hinter dem Zeichen, das uns gegeben wird, noch das Reden Gottes?
Noah hat wieder sein Ohr Gott zugewandt. Es ist nicht zu übersehen. Er ist und bleibt ein Hörender. Er weiß, wem er zu danken hat. Und so erhebt er seine Hände und seine Augen zum Himmel. Dabei nimmt er sozusagen die Mitgeretteten im Geist mit.
Im Vordergrund steht der Altar. Es ist der erste, der in der Bibel erwähnt wird. Der Altar wird zum Ort des Opfer, des Gebetes und der Gemeinschaft. Es ist ein tiefer Gedanke, der hier anklingt. Das Opfer ermöglicht Leben. Es schafft Beziehung und stiftet Gemeinschaft.
Wieder werden wir hier an Jesus Christus und sein Opfer am Kreuz erinnert. Es ist das eine Opfer, das – wie es der Hebräerbrief sagt – nicht zu überbieten ist und nicht wiederholt zu werden braucht (Hebr. 9,26). Das Opfer Jesu ist ein für alle Mal geschehen.
Noah hat das Opfer als etwas Befreiendes erlebet. So begegnet er uns auf dem letzten Relief. Das ganze Bild atmet eine Fröhlichkeit und Leichtigkeit. In diesem Sinne sind wir eingeladen, als Befreite zu leben. Die Schrift sagt: „Wer Dank opfert, der preiset mich, und da ist der Weg, dass ich ihm zeige das Heil Gottes“ (Ps. 50,23)

Friedrich Preißler

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