Christ-Vesper am Heiligen Abend 2009

Liebe Gemeinde!

Als Leitwort für die Andacht am Hl. Abend habe ich ein bekanntes Psalmwort ausgesucht. PS 37,5 „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“ Daraus leitet sich das Thema ab, das uns beschäftigen soll: Auf  der Suche nach Gott. Als Illustration dazu sollen uns weihnachtliche Gestalten – nämlich die Weisen aus dem Morgenland dienen.
Mir ist aufgefallen, dass das, was wir sicher von Ihnen zu wissen meinen, gerade nicht  sicher ist.

Aber auf der anderen Seite  ist gerade das, was der biblische Text über sie sagt, für unser Leben so bedeutsam, dass wir sie gedanklich auf ihrem Weg begleiten müssen.
Unsicher ist, dass es Könige waren. Man leitete diesen Gedanken von ihrer Herkunft und ihrer Tätigkeit ab. Luther übersetzt: „Weise aus dem Morgenland“. Das Morgenland – also das Land, wo die Sonne aufgeht, das war von Israel aus gesehen das 2 Stromland (zwischen Euphrat und Tigris / Mesopotamien – Babylon– heute Irak – seit eh und je  Israels Bedrohung).
Wir wissen, dass es damals dort schon seit Jahrhunderten  berühmte Sternwarten gab. Die Sternkundigen waren im Morgenland königliche Ratgeber, so wie heute die fünf Wirtschaftsweisen. Durch ihren Beruf hatten sie im dortigen Staat eine hohe Position inne. Nicht nur Geld ist Macht – auch Wissen bedeutet Macht. Also machte sie die Tradition zu Königen. Der erste, der die Sternkundigen zu Königen machte, war der Kirchenvater Tertullian (+ um 220). Er schlussfolgerte dies aus den wertvollen und teuren Geschenken, die sie dem Christuskind brachten.
Unsicher ist auch, dass es drei waren. Der erste, der diesen Gedanken aufbrachte, war der Kirchenvater Origenes (+ um 254). Er schlussfolgerte dies aus der Dreizahl der Gaben, die sie dem Christuskind schenkten: Gold, Weihrauch und Myrrhe.
Noch unsicherer sind ihre Namen: Caspar, Melchior und Balthasar. Diese tauchten erst im 9. Jahrhundert auf.
Was also sollen wir uns an diesem Abend mit Unsicherheiten beschäftigen, wenn wir über die Weisen aus dem Morgenland viele wichtige Hinweise hören können, die für unser Leben von Bedeutung sein können?! Ich lade Euch zu 5 Wegmarkierungen ein. Die erste Wegmarkierung lautet:
1. Eine Sehnsucht bricht auf. Ist es Tradition, ist es der Wunsch nach einem Hauch von Weihnachtsstimmung, dass Menschen ausgerechnet Weihnachten in die Kirche gehen? Oder ist es noch viel mehr? Ist es eine Sehnsucht nach etwas, was man erahnt. Ist es die dumpfe Ahnung, etwas Wichtiges verloren oder noch nicht gefunden zu haben? Oder ist es ein Teil dieser Ursehnsucht, die dem Menschen seit dem verlorenen Paradies befällt. Oder ist es die rückwirkende Erinnerung bei dem Gedanken der Endlichkeit unseres Lebens? Was das auch sei. Jeder muss das für sich selbst klären – am besten radikal ehrlich.
Am Anfang des Weges, den die Weisen aus dem Morgenland dann gehen (und es waren im wahrsten Sinn Strapazen), stand eine verzehrende Sehnsucht. Und diese Sehnsucht  lässt  die Weisen sagen: „Wir haben seinen Stern gesehen“. In der Überzahl der Sterne am Himmel war ihr Blick an diesem einen Stern hängen geblieben. Seine ungewöhnliche Konstellation verriet ihnen: es muss ein bedeutsamer König im Lande der Juden zur Welt gekommen  sein.
Am Anfang der Gottessuche steht immer eine tiefe Sehnsucht, die  in einem Menschen aufbricht und die weit, weit über diese Welt hinausweist. Ganz unterschiedlich ist der Anlass, der Beginn der Sehnsucht. Aber  sie bricht immer dort in unserem Leben auf, wo die (Horn-)Haut unserer Selbstsicherheit dünn wird.
Die Sehnsucht bricht auf. Lasst die Sehnsucht aufbrechen. Lullt sie nicht ein. Macht sie nicht mit Entenbraten nieder. Geht nicht zur Tagesordnung über. Schießt euer Geld nicht in den Himmel – schaut in den Himmel. Es ist etwas so Kostbares, ein Mensch der Sehnsucht zu sein. Die Menschen der Sehnsucht, die auch aufbrechen, die verändern die Welt und ihr Leben. Nur wer der Sehnsucht in seinem Leben ein Bleiberecht gibt, hat Kraft, schwere Wegstrecken zu überstehen. Nur wer der Sehnsucht in seinem Herzen Raum zugesteht, der wird ankommen und finden.
2. Eine 2. Wegmarkierung: Das „Wir“ auf dem Weg. Wenn wir auch nicht genau wissen, wie viele Weise im Morgenland an den Start gingen – es waren mindest zwei. Das gibt der biblische Text her. Er gebraucht den Plural.
Es war ein langer Weg. Es war ein beschwerlicher Weg. Es gab viele Tage darunter, da war der Stern nicht zu sehen. Die Sternkundigen mögen sich gefragt haben, ob es denn richtig sei, dass sie soviel Mühe und Ungewissheit auf sich nehmen? Vielleicht fragten sie sich auch, ob sie einer Täuschung unterlagen und einer Fatamorgana folgen?
Manche Nacht wird auch auf unserem Weg stockdunkel bleiben und die Zweifel werden nagen. Da ist es gut, wenn man Freunde, Brüder und Schwestern hat. Wie wichtig ist es, dass wir Gemeinschaft auf dem Weg des Glaubens haben. Man muss seine Beobachtungen und Erfahrungen – auch seine Zweifel und Fragen mit jemandem austauschen können. Die Weisheitsliteratur Israels ließ diesen großartigen Gedanken in die Bibel kommen:  Sprüche 27,9 „Süß ist der Freund, der wohlgemeinten Rat gibt.“
Gott hat uns Menschen von allem Anfang an als Gemeinschaftswesen konzipiert und erschaffen. Worin wird deutlicher, das wir Menschen, so unterschiedlich wir auch sind, doch für einander und aufeinander zu geschaffen wurden, als in unserer Fähigkeit, sprechen zu können. Weil wir Sprache haben, können wir uns ent-wickeln.
Der Dialog gehört zu uns Menschen. Zum Dialog gehören Frage und Antwort. Überall, wo die Weisen aus dem Morgenland hinkamen, fragten sie nach: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Das wissen wir sicher von ihnen: sie waren fragende, suchende Menschen.
Am Anfang einer jeden großen Erfindung steht das Fragen. Verliebte haben tausend Fragen. Auch Menschen auf der Suche nach Gott haben viele Fragen. Die Bibliotheken der Welt haben sich mit diesen Fragen gefüllt. Und wo sollen wir denn diese Fragen anders loswerden, als zunächst einmal bei anderen Menschen. Dabei kann es sein, dass das, was andere mir antworten, mir weiter hilft und weiter führt. Aber es kann auch sein, das man  an den Falschen gerät.
3. Davon ist  in der Wegmarkierung Nr. 3 zu sprechen. Die Station der Hoffnungslosigkeit. Die Suche der Sternendeuter endet zunächst beim Falschen. Als ihre Frage dem judäischen König zu Ohren kommt, kalkuliert dieser blitzartig die Situation durch. Da, wo vom „neuen König“ die Rede ist, weiß er sich gefährdet und in Frage gestellt. Und im Bemühen um den Erhalt der Macht und im Sichern des Erreichten scheuen solche Leute  wie vom Schlage eines Herodes nicht vor Lüge, Druck und Missbrauch gutgläubiger Menschen zurück. In ihrer Sucht sind sie blind für alles, was nicht ihrem eigenen Ich und ihrem Vorteil dient.
Jeder, der auf der leidenschaftlichen Suche nach Gott ist, wird das Purgatorium der Hoffnungslosigkeit erleben und erleiden müssen. Was und wer auch immer auf dem Weg des Glaubens „unser Herodes“ sein wird – wir werden an so einem Punkt kommen, wo alles aus und zuende zu sein scheint. Vielleicht gerade deshalb, weil wir nicht – wie Herodes – Gott aus der Gleichung streichen, sondern gerade da suchen müssen. Am Ende werden wir immer feststellen, dass Gott uns mehr gesucht hat, als wir ihn suchen konnten.
Die Liste unserer Enttäuschungen mag lang sein. Sie mag ein schweres Schicksal, Krankheitsnöte, quälende Einsamkeit, Enttäuschung durch Menschen, ja auch durch die Kirche oder andere Christen beinhalten. Sie werden uns zugemutet. Sie werden uns deshalb zugemutet, weil das, was wir finden sollen, unser menschliches Enttäuschungspotential überwinden wird  und weil alle menschliche Raffinesse in den Schatten gestellt werden soll. Der neugeborene König der Juden – ein kleines Kind – stellt ein wenig später den mächtigen Herodes Schach matt.
Aber nicht das ist der eigentliche Triumph des Glaubens, das wir bei Gott immer auf der Seite des Stärkeren stehen. Sondern das ist das Eigentliche, das wir auch in der Situation der Hoffnungslosigkeit von IHM gehalten und geführt sind.
4. Eine  vierte Wegmarkierung. Die Begleitung durch das Buch. Mit dem Buch meine ich die Bibel. Die Bibel ist das Buch der Bücher. Das gute Buch. Das wichtigste Buch.
Die herbeigerufenen Hohenpriester und Schriftgelehrten kennen die Verheißung des Propheten Micha. In „Bethlehem in Judäa“ wird der erwartete Messias geboren werden – war ihre Antwort.
Alles was für diese Welt wichtig ist, finden sie in den Büchern dieser Welt. Alles was für Ihr Heil und  Ihr ewiges Leben wichtig ist, finden sie in diesem Buch. Lesen Sie dieses Buch. Zwischen diesen beiden Buchdeckeln steht wie und wo Sie finden können: die Hoffnung der Welt  – die Erfüllung unserer Sehnsucht.
Aber wie gehen wir mit diesem Buch um?  Es stockt einem fast der Atem. Die Geistlichkeit Israels weiß die richtige Antwort und bleibt doch hinter dem Ofen hocken. Sie kennen sich bestens in der Schrift aus und sie halten es doch nicht für nötig, ihr Wissen zu prüfen und anzuwenden. Von Jerusalem nach Bethlehem sind es nur 8 Kilometer. Viel zu Wissen genügt nicht. Ohne das Tun, ohne das Ausprobieren ohne die Erfahrung bleibt alles Wissen, angefangenvom Konfirmanden-Wissen, nutzlos. Was nützt ein Wissen von Gott, von Jesus, vom HG – wenn man ihn nicht persönlich sucht und kennen lernt – nichts.
In unseren Weihnachtsliedern spielt in verständlicher Weise Maria eine große Rolle. Sie hat hier auf Erden Jesus das Leben geschenkt. Sie hat den Messias geboren. Vieles hat man später in die Maria hineininterpretiert. Mir ist das wichtig, was man aus der Bibel zuverlässig von ihr herauslesen kann. Und da gehört für mich ein ganz wichtiger Satz aus dem Johannesevangelium dazu. Maria sagte einmal: Joh 2,5 „Was er (Jesus) euch sagt, das tut.“ So ist unser Verhältnis zu Gottes Wort richtig bestimmt. Was er euch sagt – das tut.
5. Die 5. Wegmarkierung:  Das Erkennen auf Knien.
Gott führt uns nicht selten auf unerklärlichen und zuweilen unlogischen Wegen zum Ziel. Und oft  gibt es dabei Umwege. Wer sich aber vor einem Umweg scheut, riskiert, nie anzukommen. In Bethlehem, wo der Stern stehen blieb, wartete die nächste Überraschung. Die Weisen aus dem Morgenland fanden keinen prunkvollen Palast vor, sondern im wahrsten Sinn des Wortes einen Stall. – ein erbärmliches, ein unangemessenes Haus.
Doch was geschieht da? Sie fielen vor dem Kind nieder und beteten es an. Im Beugen ihrer Knie erkannten sie den, den sie suchten. Dabei ist das Niederknien nur eine äußere Geste für ein inneres Geschehen. Wenn man niederkniet, dann sagt man damit: Ich mache mich klein vor Gott. Nun stimmen die Proportionen wider. Und so gewinnt man die richtige Perspektive für geistliche Erkenntnisse.
Das wird die immer währende Wahrheit bleiben. Gott offenbart sich dem knienden Menschen. Nicht der kriechende – der kniende Mensch ist würdig, zu empfangen.
Nichts ist diesem Abend angemessener als ein Gebet. Ein Dank, eine Bitte, eine Anbetung, eine Frage, ein Zweifel, ein Seufzer oder ein Hilfeschrei zu dem Gott allen Lebens. Dabei wird das gebeugte Knie, die innere Haltung vor Gott wichtig sein. Und die innere Haltung ist: Herr ich brauche Dich. Komme zu mir. Sprich Du zu mir. Offenbare mir Deine Herrlichkeit.
PS 37,5 „Befiehl dem HERRN deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohlmachen.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

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