Heilig Abend 2017
„Wie schön war das doch“ – so schwingt es noch in meinen Erinnerungen – wenn ich an meine Kinderzeit denke und dabei die Weihnachtszeit vor Augen habe. Tage vor Weihnachten stöberte ich durch die Wohnung und suchte nach den Geschenken. Die Neugierde treibt ja manchmal seltsame Blüten. Ich war wie ein Jäger auf der Pirsch.
Und dann kam der Hl. Abend. Die gute Stube wurde zur Tabu-Zone erklärt. Mein Vater stellte den Weihnachtsbaum auf und die Mutter schmückte ihn. Verpackte Pakete wurden
in das Wohnzimmer getragen. Die Eltern mussten sie wohl an den Abenden zuvor, wenn wir Kinder schliefen, in Geschenkpapier gehüllt haben.
Und dann, wenn alles fertig war, wurde die Tür verschlossen. Eine quälend lange Zeit begann. Auch ein Blick durch das Schlüsselloch brachte nicht viele neue Erkenntnisse. Dass kann einen ja fuchsig machen, wenn man derart ausgesperrt ist.
Aber dennoch bin ich damals nicht verzweifelt, wenn ich zu Weihnachten vor der einen verschlossenen Tür stand. Denn ich war mir sicher, dass diese Tür zur richtigen Zeit aufgehen wird. Und ich wusste, dahinter verbirgt sich etwas Besonderes: Geschenke, der Weihnachtsbaum und alles, was für einen kleinen Jungen so zum Hl. Abend gehört.
Sie wird aufgehen, diese Tür! Egal wie fest sie verschlossen sein mag. Sie wird aufgehen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Hören wir dazu den PT für diese Predigt: Jesus spricht: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdetihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Sie wird aufgehen! Die Tür! – Das sagte Jesus auf dem Berg der Seligpreisungen. Man hat von dort einen schönen Blick auf den See Genezareth und die lieblichen Berge von Galiläa. Aber was nützt einem der schönste Blick, wenn man vor einer verschlossenen Tür steht. Das baut eine innere Spannung auf. Aber Jesus spricht mit seinen Worten diese heimliche Tür, die wir alle in unterschiedlichen Situationen des Lebens erleben, an.
Und er sagt ohne Wenn und Aber: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Jesus versichert: Wenn du klopfst, dann wird sich dir eine Tür öffnen. Habe Vertrauen, dass du nicht draußen stehengelassen wirst.
Wenn das nur dem Josef und der Maria so gegangen wäre, als sie in der Hl. Nacht in Bethlehem die Türen dieser Stadt abklopften. Da hat man damals eine hochschwanger Frau vor der Tür stehenlassen. Das geht doch eigentlich gar nicht. Maria schleppt sich von Herberge zu Herberge, um einen halbwegs geschützten Ort für die Geburt ihres Kindes zu finden.
Wie demütigend, sich von oben bis unten mustern zu lassen. Und bei manchen konnte man es förmlich im Gesicht lesen, wie sie dachten: Nein, das tu ich mir nicht an, die beiden auch noch unterzubringen. Meine Herberge ist voll. Was werden die anderen Leute sagen, wenn diese fremde Frau die ganze Nacht mit ihrem Geburts-Geschrei die Leute wachhält.
Egal, ob die Wirte mitleidig bedauern oder verständnislos den Kopf schütteln, oder das Paar arrogant wegkomplementieren. Das Ergebnis bleibt das gleiche. Die Türen blieben verschlossen.
Sie bleiben immer wieder zu, diese Türen. Davon können wir aus eigener Erfahrung berichten. Nicht jeder Lebensweg führt genau dort entlang, wo man es sich wünscht. Nicht jedes Gebet wird 1:1 erhört. Nicht jeder Plan gelingt. Nicht jede Sehnsucht erfüllt sich.
Da steht man dann da und spürt seine Hilflosigkeit. Und manchmal saugt dann die Verzweiflung Kraft aus der Seele. Verschlossene Türen sind kein Spaß. Und je wichtiger einem eine Tür ist, desto mehr schmerzt es, wenn sie verschlossen bleibt.
Vielleicht hat Jesus – man hat ihm bestimmt einmal diese notvolle Situation der Herbergssuche bei seiner Geburt in Bethlehem erzählt – vielleicht hat Jesus daran gedacht; als er diese Worte auf dem Berg der Seligpreisung sprach.
Und er hat sich wohl gesagt: So soll es bei mir nicht sein. Bei mir ist das so: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Sie wird aufgehen – diese Tür! 100 %. Das ist bei mir garantiert. Wer bei mir anklopft, dem wird die Tür aufgetan.
Wie ist das, wenn man vor einer Tür steht und anklopft? Da hat man doch eine Erwartung. Man stellt sich etwas vor, was oder wer hinter dieser Tür sein wird. Man klopft nie ohne innere Vorstellung an.
Man weiß ja nicht 100 %ig, was einen erwartet. Aber einen Grund für das Anklopfen muss es ja geben. Manchmal muss etwas Zurückliegendes geklärt werden. Manchmal ist es auch Neugierde, die vorantreibt. Und manchmal erhofft man hinter dieser Tür eine Klärung.
Wie auch immer – immer besteht eine Nötigung, dort anzuklopfen. Es scheint not-wendend zu sein, dass sich diese Tür öffnet. Man steht immer vor einer verschlossenen Tür, um ein Ziel zu erreichen. Und dazu muss ich anklopfen, um dieses Ziel zu erreichen.
Man muss also etwas tun. Was muss man tun, um die verschlossene Tür zu überwinden? Es sind m.E. fünf Dinge, die zu geschehen haben, damit ich das Ziel erreiche.
1. Ich muss ein Signal geben. Heute hat man kaum noch Chancen, um direkt an Wohnungstüren zu klopfen. Meistens ist schon am Gartenzaun oder an der Haustür Schluss.
Aber die Klingeln haben ja die gleiche Funktion. Sie signalisieren dem, der im Haus ist, da ist jemand, der will etwas.
Ich muss also – wie auch immer – ein Signal geben.
So meint das auch Jesus hier. Er wartet darauf, dass wir IHM signalisieren: He, ich will zu dir! Ich will mit dir etwas zu tunhaben. Du bist mein Ziel. Bei dir erwarte ich, dass sich in meinem Leben eine Not wendet.
Wer hat das Recht, bei Gott anzuklopfen. Ich habe dazu eine schöne russische Legende gefunden.
Ein Dieb kam zum Himmelreich und pochte an die Tür. „Macht auf!“ Der Apostel Petrus, der die Schlüssel zum Himmelreich besitzt, hörte das Klopfen und ging zur Tür. „Wer ist da?“
„Ich.“ — „Wer bist du?“ — „Ein Dieb. Lass mich ins Himmelreich.“ — „Nein, hier ist kein Platz für Diebe.“
„Und wer bist du, dass du mich nicht einlassen willst?“ fragte der Dieb zurück – „Der Apostel Petrus.“
„Dich kenn ich! Du bist der, der Christus verleugnete, noch bevor der Hahn krähte. Ich weiß alles, Bruder!“ Da kehrte Petrus um und suchte Paulus. „Geh, Paulus, sprich du mit ihm.“
Paulus ging zur Tür. „Wer ist da?“ – „Ich, der Dieb. Lass mich ins Himmelreich!“ — „Hier ist für Diebe kein Platz.“
„Und wer bist du, dass du mich nicht einlassen willst?“ – fragte der Dieb zurück.
„Ich bin der Apostel Paulus.“ — „Ach Paulus! Ich weiß, du bist jener, der die Christen verfolgte. Und du bist jetzt im Paradies!“ Da kehrte auch Paulus um und erzählte Petrus, was der Dieb gesagt hatte. „Nun“, sprach Petrus, „dann werden wir den Evangelisten Lukas schicken. Er hat Christus niemals verleugnet. Soll er mit dem Dieb reden.“ Lukas ging zur Tür. „Wer ist da?“ — „Ich, der Dieb. Lass mich ins Himmelreich!“ „Da kannst du lange bitten, Dieb. Für solche Sünder wie dich ist hier kein Platz.“ — „Und wer bist du, dass du mich nicht einlassen willst?“ — „Ich bin der Evangelist Lukas.“
„Aha, du bist ein Evangelist. Weshalb tut ihr etwas anderes, als es in der Bibel steht? Ihr habt im Evangelium geschrieben: ‚Klopft an, so wird euch aufgetan; bittet, so wird euch gegeben.‘ Jetzt stehe ich hier schon seit zwei Stunden und klopfe an, aber niemand tut mir auf. Wenn du mich nicht auf der Stelle ins Himmelreich einlässt, dann kehre ich auf die Erde zurück und sage den Menschen, dass ihr im Evangelium die Unwahrheit geschrieben habt!“ Da erschrak Lukas und ließ den Dieb ins Himmelreich. Soweit diese kleine sinnige Geschichte.
Diese Geschichte besagt, dass man sich vor dieser Tür in einem anderen Status befindet, als dahinter. Jeder wird als Sünder bei Gott anklopfen. Doch es besteht bei Jesus die Verheißung, dass ER uns nicht so lässt wie wir sind. Aber genau das muss ich IHM signalisieren, dass er mir diese Tür der Vergebung öffnet!
Ich muss anklopfen. Und das ist bei Jesus garantiert: Die Tür wird aufgehen. Wer anklopft, dem wird aufgetan. Er nimmt mich so an, wie ich bin – aber Er lässt mich nicht so wie ich bin. Es gibt eine Veränderung, eine Erneuerung, eine neue Geburt.
2. Was ist noch zu tun, wenn ich angeklopft habe? Wenn ich eine Stimme höre: „Herein“ – dann weiß ich, dass da jemand ist und dass ich willkommen bin.
Heute kommt man, wenn man vor manchen Haustüren steht, sich vor, als ob man demnächst einen Hochsicherheitstrakt betritt. Aus dem Lautsprechen wird man nach seiner Identität gefragt und vielleicht auch noch mittels einer Kamera in Augenschein genommen.
Wenn ich bei Jesus anklopfe, dann kann ich mir dessen gewiss sein, dass er mich kennt – schon lange, schon immer! In der Bibel steht der wunderbare Satz, den der Prophet Jeremia einmal geschrieben hat – er hat es so erlebt. Er stand vor der Tür, klopfte bei Gott an und hörte die Worte: „ Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.“ Jer 31,3 Das heißt also, dass ich bis zu dieser Tür gekommen bin, das hat eine Vorgeschichte. Da war jemand, der mich bis dahin gebracht hat.
Das ist doch ein wunderbares „Herein“ – eine tolle Einladung!
Aber nun muss ich etwas tun! Ich muss beherzt die Türklinke nieder drücken. Oder ich muss, wenn der Summton der Türöffnungsanlage erklingt, die Tür aufdrücken.
Die Sperre wird von innen gelöst. Die kann ich nicht lösen.Aber wenn sie gelöst ist, muss ich die Tür öffnen.
Hier ergibt sich ein Problem, dass den Theologen bis heute Kopfzerbrechen bereitet. Wie ist denn das mit der Gnade Gottes? Sie ist doch 100 %ig umsonst. Gott knüpft keine Bedingungen daran. Ich kann zu Gott kommen wie ich bin.
Aber andererseits wird man nicht automatisch Christ. Ich muss eine Entscheidung treffen. Gott stülpt keinem etwas über oder jubelt keinem etwas unter, was man nicht will.
Ich muss den Türendrücker herunterdrücken. Ich muss erkennen: Ja, ich bin jetzt gemeint. Ich will kommen. Ich gehe zum Kreuz. Ich bin entschieden, Jesus zu folgen. Ich habe seine Einladung, das Werben Seiner Liebe gehört und ich reagiere jetzt darauf. Ich treffe eine Entscheidung.
3. Und dann ist noch etwas zu tun. Es ist fast geschafft. Aber manche bleiben dann doch vor der offenen Tür stehen. Sie haben sich einmal für Jesus entscheiden und sind dann doch nicht weitergegangen. Man muss seinen Fuß über die Tür setzen. Man muss gehen. Schritte des Glaubens sind gefragt.
Jesus sagt – und das ist auch so eine 100ige Garantie: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen.“ Joh 6,37
Ich weiß, dass jeder so eine Art Schwellenangst überwinden muss. Als Gott zu meinem Leben sprach und mich in sein Reich einlud, da habe ich einige Tage gerungen.
Da ist es, als ob der Teufel einem einflüstert: Na so schlecht bist du ja auch nicht. Oder: Vielleicht hast du dich verhört und bildest dir das alles nur ein? Oder: Du wirst dabei ein Minusgeschäft machen.
Ich bin heute froh, dass Gott bei mir nicht locker gelassen hat und mich mit Stricken der Liebe zu sich gezogen hat. Aber ich kenne diese Situation: Man muss eine Schwelle überwinden.
4. Was passiert dann? Wer den Schritt in die Nachfolge Jesu wagt, der betritt einen neuen Raum. Man beginnt eine Welt wahrzunehmen, die man vorher nicht gekannt und nicht einmal erahnt hat. Jesus sagt: wer von neuem geboren ist, der sieht das Reich Gottes. Joh 3,3 Plötzlich entdeckt man die Wahrheit dessen, was uns die Bibel sagt. Das Wort Gottes wird lebendig. Ich entdecke die Welt, von der die Heilige Schrift spricht. Man bekommt Durchblick und Weitblick.
5. Und vor allem kommt es zu einer Begegnung. Es geht ja nicht nur um das Betreten eines neuen Raumes. Es kommt zur Begegnung mit Jesus. Ich begegne IHM. Und ich beginne mit IHM zu leben. Jeden Tag. Es beginnt eine Lebensschule mit IHM.
Jesus wartet hinter dieser Tür. Er wartet auf dich und mich. Er hört auf das Klopfen.
Klopfet an, so wird euch aufgetan. Er hat versprochen das zu tun! Es ist versprochen, was uns Jesus sagt und es ist garantiert: Wer IHN sucht, der findet, wer IHN bittet, der bekommt ein riesengroßes Geschenk, das ewige Leben. Und wer bei IHM anklopft, dem wird aufgetan. Amen.