Exaudi 2019
14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,
15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im
Himmel und auf Erden,
16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner
Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe beingewurzelt und gegründet seid.
18 So könnt ihr mit allen Heiligen begreifen, welches die Breite und die Länge und die Höhe und die Tiefe ist,
19 auch die Liebe Christi erkennen, die alle Erkenntnis übertrifft, damit ihr erfüllt werdet mit der ganzen Gottesfülle.
20 Dem aber, der überschwänglich tun kann über alles hinaus, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirkt,
21 dem sei Ehre in der Gemeinde und in Christus Jesus zu aller Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.
Liebe Gemeinde!
Unglaublich, wie komprimiert Paulus sprechen und schreiben kann. Man muss seine Sätze kauen wie Kommissbrot.
Kommissbrot hat man seit dem 30. Jährigen Krieg für die Versorgung der Soldaten verwendet. In Kriegszeiten benötigte
man für die Versorgung der Soldaten ein Brot, das sich durch lange Haltbarkeit und große Nahrhaftigkeit auszeichnete. 1
Seit dem Ersten Weltkrieg ist Kommissbrot in der Regel ein Vollkornbrot aus Roggen und Weizen mit Sauerteig und Hefe
und wird in Tagesrationen für ein oder zwei Mann von 750 oder 1500 Gramm gebacken. 2 Da man aber die Vorzüge dieses Brotes noch heute zu schätzen weiß, gehört das „Kommissbrot“ in vielen Bäckereien zum Standardrepertoire.
Also kauen wir die Worte des Apostel Paulus und lassen sie uns zur geistlichen Nahrung werden. Wir brauchen sie. Nehmen wir uns nur die ersten vier Sätze unseres PT vor:
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14 Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater,
15 der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden,
16 dass er euch Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen,
17 dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne und ihr in der Liebe beingewurzelt und gegründet seid.
In welchen Zusammenhang sind diese Gedanken hineingestellt? Worauf bezieht sich dieses „DESHALB“. Dazu müssen wir 2
Verse zurückgehen. Dort schreibt Paulus an die Epheser:
„Durch Jesus haben wir Freimut und Zugang in aller Zuversicht durch den Glauben an ihn.“ Durch Jesus haben wir freien
Zugang zu Gott.
Die Frage nach Gott kann quälen. Gibt es Gott? Warum ist ER mir manchmal so fern? Warum verstehe ich die Wege oder die
Worte Gottes nicht? Warum geschieht gerade das, was ich eben nicht brauche oder mir wünsche? Wer ist Gott? Wo finde ich
IHN?
Es gibt so vieles, was zwischen mir und Gott steht. Wie komme ich durch all diesen Wust, durch das Gestrüpp hindurch?
Manchmal sind Traditionen solch ein Dornengestrüpp, manchmal meine Gewohnheiten, manchmal andere Menschen,
oft ich selbst. Wo finde ich eine offene Tür? Wo klären sich die Dinge?
Paulus sagt: Durch Jesus haben wir einen freien Zugang zu Gott.
Das ist mir zu abstrakt – sagen wir – zu wenig handlich. Ich hätte eine praktischere Antwort erwartet – meinen wir. Nein – hören wir es erst einmal und versuchen dahingehend Schritte zu gehen.
Das ist die Antwort auf unsere Fragen. Tu, was ER sagt! Das ist der Hinweis für unser Suchen: Jesus ist der freie Zugang
zu Gott – „deshalb“! – schreibt Paulus. Nun achten wir einmal auf dieses „deshalb“. Was ist deshalb zu tun?
„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf
Erden.“
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Die Knie beugen? Sich klein manchen vor Gott? Meine Begrenztheit, meine Schwäche, mein Unvermögen, meine
Hilfsbedürftigkeit – auch meine Schuldhaftigkeit anerkennen?
Will ich das? Kann ich das? Meldet sich hier nicht der emanzipatorische Teufel?
Ich las einen Artikel über Kniebeuge. Überschrieben war der Artikel mit: „Die Kniebeuge – Königin aller Fitnessübungen“.
Das haben die Fitnessgurus erkannt – Kniebeuge ist extrem effizient und wichtig und einfach und kräftigt die Muskulatur.
Nun will ich hier keinen Fitnessvortrag halten. Ich will mit diesem Beispiel nur sagen, das Kniebeuge vor Gott uns Gott
nahe bringt, IHN erkennen lässt, zu IHM führt, fit macht für den Glauben.
Es sind nicht die hohen Gedanken der Theologen oder Philosophen, die uns Gott erkennen lassen. Auch muss ich nicht
die ganze Bibel auswendig lernen und mir ein großes geistliches Wissen aneignen.
Und auch meine großen sozialen Anstrengungen führen mich nicht in den Thronsaal Gottes. Paulus sagt: Beuge deine Knie
vor Gott. Die wahre Theologie entwickelt sich aus der Knieologie.
Wer sich klein macht vor Gott, wer IHN groß sein lässt, der wird mehr erkennen und verstehen. Er wird die Atmosphäre des
Thrones Gottes schnuppern. Er wird ein Stück die Herrlichkeit des Ewigen schauen. Und er wird beginnen zu hören, wie ein
Jünger hört. Jes 50,4
Und wenn ich bekennen muss: Gott, ich verstehe das jetzt nicht – aber Du stehst darüber, Du kennst den Weg, Du hast einen
guten Plan mit meinem Leben – ich gebe dir die Ehre – dann beginne ich, meine Knie vor Gott zu beugen.
Gott widersteht den Hochmütigen – aber den Demütigen gibt er seine Gnade.
1.Petr 5,5 Kniebeuge ist die Königin alle geistlichen Übungen.
Da beginnt es – im Gebet. Seine Knie vor Gott beugen, ist eine Bewegung des Gebetes. Gebet ist Beugung vor dem Vater.
Vater, ich brauche Dich. Gott, hilf mir. Vater ich erkenne vor dir, was ich bin – nämlich: dein Kind. Ich bin dein Kind und du
bist mein Vater. Ps 27,10
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Mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der HERR nimmt mich auf. Ja, so ist es mein Vater und meine Mutter sind
eines Tages nicht mehr da. Dann bin ich ohne sie auf der Welt.
Eines Tages geschieht eine Trennung von der vorangehenden Generation. Aber dann bin ich nicht allein – der himmlische
Vater nimmt mich auf. Er wartet auf mich. Er ist da – immer!
Und Vater – vor dir erkenne ich, wer ich bin – ein Sünder, unvollkommen, ergänzungsbedürftig, immer und immer wieder
so ängstlich und feige. Ich brauche dich. „Ich beuge meine Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da
Kinder heißt im Himmel und auf Erden.“
Was geschieht da, wenn ich meine Knie vor Gott beuge? Was hat Paulus erlebt, als er seine Knie vor Gott beugte? –
Antwort: Damit ich mit Kraft gestärkt werde.
Für das Leben und vor allem für den Glauben brauchen wir Kraft. Wir brauchen zum Leben Kraft. Wir benötigen mehr, als
wir in uns selbst haben.
Was sind unsere Kraftquellen? Ach ja, ein schöner Urlaub gibt schon Kraft. Eine erlebte Freude ermutigt zum Weitergehen.
Eine Anerkennung, eine erwiesene Liebe, ein gutes Wort gibt schon Kraft. Aber wie lange hält diese Kraft an? Sie verbraucht
sich doch ziemlich schnell. Wir brauchen mehr Kraft, tiefergehend, anhaltend – aus einem unerschöpflichen Reservoir.
Wir brauchen göttliche Kraft. Zum Leben braucht man die Kraft Gottes. Wir brauchen mehr, als wir in uns aufbringen und aus
uns oder aus irgendwelchen Dingen dieser Welt beziehen. Wir brauchen göttliche Kraft.
Wie kommt diese Kraft Gottes zu mir? – Paulus sagt durch seinen Geist. „Er gibt uns Kraft, stark zu werden durch seinen
Geist.“ So hat ihn Jesus doch angekündigt – als einen Geist der Kraft. „Ihr soll die Kraft des Heiligen Geistes empfangen.“ Apg
1,8
Wenn der Heilige Geist in mein Leben kommt, dann kommt die Kraft Gottes in mein Leben. Jede Stärkung, jede Kraftzufuhr,
alles was mich aus dem Staub erhebt und mich vorwärts gehen lässt, was mich ermutigt, resultiert aus der Kraft des Geistes.
Der Heilige Geist ist die Kraft Gottes.
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Zeitlich gesehen haben wir Pfingsten vor uns. Und zu Pfingsten geht es im Wesentlichen um den Heiligen Geist – um die Bitte:
Komm Heiliger Geist. Veni creator spiritus. Komm HG und erfülle mich neu. Eigentlich haben wir immer Pfingsten vor uns.
Die Bitte um den Heiligen Geist ist eine täglich Bitte, weil wir täglich Kraft zum Leben brauchen.
Wir wissen wohl, dass der Heilige Geist ausgegossen wurde auf alles Fleisch. Apg 2,17 Petrus zitiert in seiner Pfingstpredigt ein
altes Prophetenwort – Joel 3,1-5 „Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem
Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure
Alten sollen Träume haben.“
Das geschah am Pfingsttag. Das ist eine Tatsache. Der Heilige Geist wurde ausgegossen auf alles Fleisch. Das ist eine
heilsgeschichtliche Tatsache, wie Weihnachten – die Menschwerdung Gottes eine Tatsache ist: geschehen und gültig
für immer. Gott kam in Jesus zu uns Menschen, um bei uns zu sein – um bei uns zu wohnen – bleibend – immer anzutreffen.
Pfingsten ist genauso eine heilsgeschichtliche Tatsache, wie der Karfreitag: Jesus ein für alle Mal gestorben, für die Sünde einer
ganzen Welt. Er gab sein Leben, um uns mit dem Vater zu versöhnen. Nun haben Sünde, Tod und Teufel nicht mehr letzte
Macht.
Pfingsten ist ebenso eine heilsgeschichtliche Tatsache wie Ostern. Er ist auferstanden vom Tod. Der Tod ist nicht mehr das
Letzte. Er hat uns die Tür zu Ewigkeit und Herrlichkeit geöffnet. In IHM werden wir leben – auch wenn wir sterben. Die
Auferstehung hat alles in Kraft gesetzt, was Jesus für uns gelebt, gesagt und am Kreuz erworben hat.
Und Pfingsten ist weiterhin eine heilgeschichtliche Tatsache wie die Himmelfahrt. Jesus ist heimgekehrt zum Vater. Durch Jesus kommen wir jetzt bei Gott vor. Er ist uns großer Hoher Priester.
Er ist unser Fürsprecher beim Vater. Und Er sitzt jetzt auf dem Thron seiner Herrlichkeit. IHM ist gegeben alle Gewalt im
Himmel und auf Erden.
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So ist auch Pfingsten eine heilsgeschichtliche Tatsache. Der Heilige Geist ist ausgegossen – hinein geschüttet in die Welt –
gegeben für alle Menschen. Geschenkt – einmal für immer. Er ist da.
Und doch haben wir alle täglich diese Bitte nötig: Komm Heiliger Geist in mein Leben, erfülle mich, führe mich, stärke
mich.
Wohin gibt Gott den Heiligen Geist? Wo ist der Ort, wo der Heilige Geist seine Kraft entfaltet? Hören wir wieder auf Paulus:
„Er gibt uns Kraft stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen.“ Unser innerer Mensch soll mit der
Kraft des Heiligen Geistes versorgt und gestärkt werden.
Dr. Claude Fly, ein amerikanischer Landwirtschaftsexperte, war in Uruguay im Auftrag der UNO tätig. Eines Tages wurde er auf offener Straße von Tupamaros (Guerillabewegung) als Geisel genommen. Acht lange Monate musste er in einem winzigen
Versteck tief unter der Erde, von unnachgiebigen Gangstern bewacht, aushalten.
Die lange Zeit der Leiden und Qualen beschrieb Dr. Fly nach seiner Freilassung in dem Buch „Gott in meiner Angst“.
„Mein Aufenthalt in der Zelle der Tupamaros kommt mir nun wie ein böser Traum vor. Es fällt mir schwer, mich an all die
verschiedenen Gefühle und Leidenschaften zu erinnern, die mich so umgetrieben haben.
Glücklicherweise hatte ich während der ganzen Zeit ein kleines Neues Testament bei mir. Es wurde für mich die einzige Quelle der Begegnung mit solchen Kräften, die außerhalb meines eigenen Herzens und auch außerhalb meiner Gefängniszelle wirksam waren. Das Klappern von Gewehren, die geladen und entladen wurden, das Geräusch von auf den Boden fallenden
Patronenhülsen – dies alles nur zwei Meter von meinem Bett entfernt – waren für mich eine Seelenqual und ließen mich
immer wieder vor Angst erschauern. Die ganze Zeit hindurch hielt mich die ständige Lektüre des Neuen Testaments
aufrecht.“ 3
Gott gab innere Kraft – durch sein Wort. Der Heilige Geist schenkt Kräfte, die außerhalb unserer eigenen Gefühle, unseres
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eigenen Willens und unseren eigenen Verstands und auch außerhalb unserer Begrenzungen – bzw. darüber hinaus wirksam
werden.
Das Wort Gottes ist Geist und Leben – es ist geistgehaucht. Der Heilige Geist ist im Wort Gottes – er ist Ursprung des Wortes
Gottes. Und dieser Heilige Geist gibt Kraft für den inneren Menschen. Er wirkt durch sein Wort.
Das hat jener amerikanische Landwirtschaftsexperte Claude Fly erlebt und wie er – viele andere vor uns nach ihm. Der Ort, wo
die Kraft des Heiligen Geistes zu spüren, zu erleben und zu erfahren ist – ist der innere Mensch. „Er gibt uns Kraft stark zu
werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen.“
Wozu das alles – wo soll das hinführen? Was soll daraus werden? Weshalb soll der Heilige Geist in unseren Herzen
wohnen und uns Kraft geben, uns stärken? Paulus antwortet: „auf dass Christus / der Messias durch den Glauben in euren
Herzen wohne und ihr in der Liebe eingewurzelt und gegründet seid.“
Jesus will in unseren Herzen wohnen und wir sollen in Seiner Liebe eingewurzelt und gegründet werden.
Die Liebe Gottes ist Fundament und Wurzelgrund allen geistlichen Lebens. Viele von uns haben in letzter Zeit Pflanzen
in die Erde gesteckt. Die Wurzeln brauchen guten Boden. Dort suchen sie Halt. Von dort bekommen sie Nahrung.
Der Wurzelgrund des Glaubens ist die Liebe Gottes. Nichts aber auch gar nichts kann uns von Gottes Liebe trennen.
Liebe Gemeinde, uns ist geistliches Kommissbrot gegeben.
Empfangen wir es, kauen wir es, verdauen wir es, leben wir es aus.
Beugen wir unsere Knie vor dem Vater, der der rechte Vater ist über alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden.
Damit er uns Kraft gebe nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit, stark zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen
Menschen, sodass Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohne und wir in der Liebe eingewurzelt und gegründet
bleiben.
Amen.
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1 https://brotdoc.com/2012/11/01/kommissbrot/
2 https://de.wikipedia.org/wiki/Kommissbrot
3 Axel Kühner Überlebensgeschichten für jeden Tag S.64 f